Der wahre Gottesdienst

„Ich ermahne euch nun, ihr Brüder, angesichts der Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber darbringt als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer: Das sei euer vernünftiger Gottesdienst!“ (Römer 12,1)

Warum spricht Paulus von einem Opfer? Opfer waren alltäglicher Bestandteil des religiösen Lebens, des Gottesdienstes, der damaligen Zeit.

Juden wie Heiden waren mit Opferriten vertraut. In allen religiösen Richtungen (Christentum ausgenommen) wurden Opfer als Gabe an die Gottheit dargebracht. Normalerweise handelte es sich bei den Gaben um Nahrungsmittel oder Tiere, die für Gott ausgesondert wurden. Sinn und Zweck der Opfer waren unterschiedlich. Oftmals war das Ziel die Gottheit gnädig zu stimmen.

Im Judentum gab es eine ganze Reihe unterschiedlicher Opfer. Man kann sagen, dass es drei große Bereiche gab. Zum einen die Opfer, die mit Schuld, Sünde, Wiedergutmachung und Versöhnung zusammenhingen. Zum anderen die, die mit Dank, Lob und Hingabe zu tun hatten. Und schließlich die Opfer für Reinigung, Weihe und Gelübde. Opfer waren immer eine Form, mit Gott Verbindung aufzunehmen, eine Möglichkeit sich ihm zu nähern. Paulus redet hier vom Opfer, da es wahrscheinlich die beste Möglichkeit war den römischen Christen deutlich zu machen wozu er sie aufforderte. Heute gehören für uns Opfer nicht mehr zum alltäglichen Leben und Paulus hätte sich, würde er heute leben, vielleicht anders ausgedrückt.

Das griechische Wort, welches Luther mit „Leib“ übersetzt, dient zur einfachen Bezeichnung des Körpers. Es beschreibt aber auch den Körper als Sitz des irdischen Lebens. Folglich steht es auch für das gesamte Leben. So wird es wohl hier gedacht sein. Es geht also nicht nur um den Körper, sondern um das ganze Leben, mit allem was dazu gehört. Paulus fordert auf: „Gib dein ganzes Leben Gott!“

Paulus beschreibt das Opfer als lebendig, heilig und wohlgefällig. Die jüdischen und heidnischen Opfer mussten bestimmten Anforderungen standhalten. Ein Opfertier musste fehlerlos sein, damit es Gott überhaupt gefallen konnte. Gott hat Freude an einer Gabe, die von Herzen kommt und die ihn ehrt. Gott ist heilig und etwas Unheiliges passt nicht zu ihm. Nur ein heiliges Opfer kann er annehmen. Wie sollen wir aber ein heiliges Opfer darbringen, wenn es sich dabei um uns selbst handelt? Wir sind schließlich alles andere als makellos. Nur mit Gottes Hilfe können wir ein heiliges Opfer bringen. Mit der Bekehrung spricht Gott uns heilig. Aus seiner Sicht sind wir nicht mehr länger befleckte Sünder, sondern makellose, heilige Kinder Gottes.

Dieses neue Leben, das Gott uns schenkt, sollen wir von ganzen Herzen und aus freien Stücken ihm zur Verfügung stellen. Das Leben eines Christen soll Gottes Wesen widerspiegeln. Das ist es, was Paulus als lebendiges, heiliges und wohlgefälliges Opfer bezeichnet. Und dieses Opfer, die Hingabe des ganzen Lebens, ist Gottesdienst. Gottesdienst ist nicht das Ableisten einer religiösen Zeremonie. Gottesdienst beschränkt sich nicht auf ein bis zwei Stunden am Sonntagmorgen, sondern das ganze Leben soll Gottesdienst sein.

Im Folgenden geht Paulus darauf ein, wie dies vonstattengehen kann. „Und stellt euch nicht dieser Welt gleich…“ - ein bekannter, oft erwähnter Satz. Auch in unserer Zeit gibt es zahlreiche Gedanken über Kleidung, Musik, Gottesdienstformen etc. Ist das angemessen oder ist es zu weltlich? Ich glaube, Gemeinden geraten bei diesen Diskussionen auf falsche Wege. Bibelzitate werden aus dem Zusammenhang gerissen, um die eigene Meinung zu stützen und es interessiert nicht mehr wirklich, was Gottes Meinung ist. Leider wurde und wird dieser Satz aus Römer 12,2: „Und stellt euch nicht dieser Welt gleich…“ oft missbraucht. Und weiter heißt es: „sondern lasst euch [in eurem Wesen] verwandeln…“ Die wundersame Verwandlung einer Raupe zum Schmetterling zeigt sehr gut, was, hier gemeint ist. Die Raupe verpuppt sich, führt die Veränderung aber nicht selbst herbei. Sie hilft nur mit, dass die Veränderung geschehen kann. Und ich denke, dass ist die Aufforderung, die Paulus hier ausspricht. Lasst euch verändern!

Die Veränderung, die hier gemeint ist, kann nur Gott bewirken. Es liegt jedoch an mir mitzuhelfen und Gott wirken zu lassen. Ich kann mich auch dagegenstellen und Veränderung blockieren, denn Gott zwingt niemanden. Veränderung ist ein Prozess. Die Raupe wird nicht von jetzt auf gleich zum Schmetterling, sondern hängt erst mal eine Weile verpuppt am Pflanzenstängel. Und irgendwann ist es dann so weit, die Raupe wird zum Schmetterling. So ist es auch mit der Veränderung, die Gott an uns bewirken will. Es ist ein Prozess, der Zeit braucht und in den man immer wieder Zeit und Kraft investieren muss.

Weiter heißt es: „ lasst euch verändern durch Erneuerung eures Sinnes,…“ Bei der Raupe betrifft die Veränderung sehr stark das Äußere. Sie ist offensichtlich. Wir sollen in erster Linie im Inneren verändert werden. Das griechische Wort, das hier mit „Sinn“ übersetzt ist, hat ein umfassendes Bedeutungsspektrum. Es beinhaltet Verstand, Vernunft, Gedanken, Meinung, Urteilsvermögen und Überzeugung. Es geht also um eine umfassende Veränderung des Denkens, der Einstellung. In Vers 2: „Und stellt euch nicht dieser Welt gleich“ bedeutet das griechische Verb „sich gleich gestalten“ oder „Form annehmen“.

Das heißt, dass unser Denken eine andere Form haben soll als das der „Welt“. Unser Denken soll nicht von weltlichen, menschlichen, sündigen Maßstäben geprägt sein, sondern von göttlichen.

Es geht also nicht in erster Linie darum, bestimmte Dinge zu tun oder zu lassen. Es geht nicht darum, welche Art von Musik ich höre oder welche Lieder im Gottesdienst gesungen werden. Entscheidend ist, welche inneren Überzeugungen mich dazu veranlassen, nach welchen Zielen ich mich ausrichte. Das kann mich dann zu dieser oder jener Entscheidung bringen. Das kann durchaus bedeuten, dass eine bestimmte äußere Erscheinung nicht angemessen ist. Es ist möglich, dass ich erkennen muss, dass der neueste Modetrend nicht in den Gottesdienst passt.

Stimmt unsere Einstellung nicht, kann es leicht passieren, dass wir in dem Versuch Gott zu gefallen, scheinheiligen werden. Wenn ich mich für ein Leben mit Jesus entschieden habe, dann wird ein Veränderungsprozess in Gang gesetzt. Mein menschliches Denken, die weltlichen Werte sollen ersetzt werden durch die Maßstäbe Gottes. Es geht dabei nicht um eine Verbesserung, sondern um eine Erneuerung. Paulus spricht davon, den alten Menschen abzulegen und den neuen Menschen anzuziehen. Denn die alten Kleider passen nicht mehr zum neuen Leben in der Gemeinschaft mit Gott. Als Christ sollen wir nicht der Welt gleichen, sondern Gott. Das war es auch, was Gott vom Volk Israel gefordert hat: „Ich bin heilig, deshalb sollt auch ihr heilig sein“.

Aber so wie das ganze Leben prozesshaft ist, ist neues Denken nicht von jetzt auf gleich da. Abriss und Neubau passieren praktisch gleichzeitig, nach und nach. Die Maßstäbe Gottes sind absolut gegensätzlich zu den von Sünde geprägten menschlichen Maßstäben. Mein Denken ist geprägt von Gedanken, Idealen und Einstellungen, die über Jahre gewachsen sind. Werte, die ich bei Menschen um mich herum, in Büchern, im Fernsehen, in der Schule etc. gelernt habe. Auch wenn wir erkennen, was falsch ist, können wir alte Denkweisen nicht einfach so ersetzen. Meistens braucht das Zeit. Zeit mit Gott. Veränderung des Denkens ist ein Lernprozess. Wer lernen will, muss sich Zeit zum Lernen nehmen und seine Hausaufgaben machen. Nur wenn wir in die Beziehung zu Gott investieren, wenn wir uns mit ihm und seinem Wort beschäftigten, nur dann kann ER uns prägen.

Die Werbung z. B. in Zeitschriften zeigt sehr gut, was Menschen wichtig ist. Bei Gott steht allerdings das „Sein für den anderen“ im Vordergrund. Gott hat den Menschen für Beziehung geschaffen. Beziehung zu IHM und zu anderen Menschen. Deshalb ist bei Gott Nächstenliebe wichtig, nicht Egoismus. Denn nur wenn ich an dem anderen und seinem Wohlergehen interessiert bin und er für mich nicht nur Mittel zum Zweck ist, ist gute Beziehung möglich. Das gilt ebenso in der Beziehung zwischen Gott und Mensch. Ich mach jetzt was ich will, ich will selbst bestimmen, was ich tue und wie ich lebe. Freiheit und Selbstbestimmung wird in unserer Gesellschaft immer wichtiger. Verbindlichkeiten werden nur in Kauf genommen, wenn es nicht anders geht, ansonsten geht der Mensch ihnen lieber aus dem Weg.

Viele Menschen scheuen sich vor der Ehe. Sie wollen die Beziehung nicht verbindlich machen. Wenn es schwierig wird oder sie keine Lust mehr haben, wollen sie die Möglichkeit haben zu gehen und die Beziehung ohne großen Aufwand abzubrechen. Auch immer mehr Gemeinden haben mit Unverbindlichkeit zu kämpfen. Es ist schwer Mitarbeiter zu finden, die zu einer regelmäßigen, verbindlichen Mitarbeit bereit sind, auf die man sich verlassen kann. Gott erwartet, dass wir uns festlegen, dass wir uns für ihn entscheiden, weil wir erkannt haben, dass wir IHN brauchen. Wer als Christ lebt macht sich abhängig von Gott und es gilt: „Ich mache, was du willst Gott, dein Wille geschehe.“

Viele Menschen wollen selbst bestimmen, selbst entscheiden, ob und wann sie etwas kaufen. Wenn kein Geld da ist, dann nutzen sie einen Sofortkredit nach dem Motto: Ich will das haben und zwar jetzt. Dieses Prinzip ist bei kleinen Kindern gut zu beobachten, wenn es um ein Spielzeug geht. Besonders interessant ist das Spielzeug, das gerade ein anderes Kind hat. Für uns Christen gilt: Ich mache, was Gott will, wann ER will und nehme dankbar aus seiner Hand, was ER mir schenkt.

Jeder möchte etwas darstellen, etwas sein und angesehen sein. Andere werden nach ihrer Leistung bewertet. Es gibt eine leistungsabhängige Werteskala, wonach der Manager besser als der Arbeiter, der Gymnasiast besser als der Hauptschüler oder der Professor besser als der Handwerker ist. Oder man orientiert sich mehr an finanziellen Aspekten oder an emotionalen, wie z. B. Abenteuerlust und Coolness. In diesem Fall ist der Weitgereiste oder der Draufgänger besser als der langweilige Familien-mensch. Jedoch nicht bei Gott. Bei Gott spielt Leistung keine Rolle. Du bist wertvoll, weil Gott dich gut geschaffen hat, weil er Dir Wert gegeben hat. So wie es in Psalm 8 heißt: „Mit Ruhm und Ehre hast DU ihn (den Menschen) gekrönt.“ Wenn unser Wert von Höchstleistung und Perfektion abhängen würde, sähe es für niemanden gut aus.

Paulus fordert die Christen auf ihr Denken von Gott erneuern zu lassen und selbst aktiv mitzuwirken. „Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern lasst euch verändern durch Erneuerung eures Denkens, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist.“ Nur wenn meine Einstellung, mein Denken von Gott geprägt ist, bin ich in der Lage zu beurteilen, ob etwas Gottes Willen entspricht. Geprägt von eine falschen, sündigen Denkweise kann ich keine richtige Entscheidung treffen. Ich bin nicht in der Lage zu beurteilen, ob ich so oder so handeln soll, nach welchen Zielen ich mich ausrichten soll. Die Erneuerung des Denkens ist die Voraussetzung für ein geheiligtes Leben.

Die Veränderung im Inneren wird dann nach außen sichtbar. Das neue Denken hat ein verändertes Handeln zur Folge. Wenn die Einstellung gottgemäß ist, dann wird gottgemäßes Handeln folgen, weil ich in der Lage bin zu beurteilen, was Gottes Wille ist und was nicht. Deshalb ist es so wichtig Zeit mit Gott zu verbringen, damit seine Gedanken zu meinen Gedanken werden. Damit ich mein Leben im Sinne Gottes leben kann.

Paulus nennt drei Erkennungsmerkmale des Willens Gottes, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene. Der Wille Gottes ist gut, denn sein Wille entspricht seinem Wesen. Der Wille Gottes ist wohlgefällig. Warum sollte Gott etwas wollen, das ihm nicht gefällt? Der Wille Gottes ist vollkommen. Das heißt es gibt keine bessere Möglichkeit. Gott weiß genau, was er will und es gibt nichts, dass er eventuell nicht bedacht haben könnte. Aber ohne die Hilfe des Heiligen Geistes wäre es uns nicht möglich Gott zu verstehen. Gott gibt jedem seiner Kinder seinen Geist, um sich zu offenbaren. Dabei müssen wir beachten, dass wir Menschen sind und bleiben, die Grenzen haben.

Es ist möglich, dass wir etwas als Gottes Willen erkennen, es aber nicht verstehen. Dann ist Vertrauen gefragt, denn vollkommene Einsicht in Gottes Wesen werden wir erst haben, wenn wir bei IHM sind und vollkommene Gemeinschaft mit IHM haben.

Helmut Germann
30.03.2025