Noch vor wenigen Jahrzehnten war für viele Christen eine Feuerbestattung undenkbar. Sie galt als Ausdruck eines materialistischen Weltbildes, das den Glauben an ein Leben nach dem Tod ablehnte. Vor allem Atheisten wollten mit der Verbrennung ihres Leibes zeigen, dass nach dem Tod alles aus sei – kein Gericht, keine Auferstehung, keine Ewigkeit.
Für gläubige Christen war dagegen die Erdbestattung selbstverständlich. In der Bibel wird ausschließlich davon berichtet, dass Menschen begraben wurden. Auch unser Herr Jesus Christus wurde in ein Felsengrab gelegt. Nur bei gottlosen Menschen oder als Zeichen göttlichen Gerichts lesen wir in der Schrift einer Verbrennung.
Die ersten christlichen Gemeinden – sowohl in Kleinasien als auch in Rom und anderen Regionen – übernahmen deshalb nicht die heidnische Sitte der Feuerbestattung. Sie hielten an der Erdbestattung fest, weil sie darin ein Bekenntnis zur Auferstehung des Leibes sahen. Dieses Zeugnis blieb über viele Jahrhunderte erhalten bis weit ins 20. Jahrhundert hinein.
Der Leib – Teil des Ebenbildes Gottes
Gott hat den Menschen nach seinem Bild geschaffen – als eine Einheit von Leib und Seele (vgl. 1. Mose 2,7). Durch die Sünde kam der Tod in die Welt, und Gott sprach: „Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden“ (1. Mose 3,19). Wenn Gott den Lebensodem zurücknimmt, kehrt der Leib zur Erde zurück, doch er verliert dadurch nicht seine Würde.
Der Leib ist kein wertloser Überrest – er ist Teil des von Gott geschaffenen Ebenbildes. Jesus selbst spricht vom „Tempel seines Leibes“ (Joh. 2,21), und Paulus erinnert uns daran, dass unser Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist (1. Kor 3,16; 6,19). Darum gehört der Leib – auch im Tod – nicht in die Verfügungsgewalt des Menschen, sondern bleibt Gott anvertraut. Das gilt sowohl für das Leben als auch für das Sterben: Gott allein ist Herr über Anfang und Ende, über Leben und Tod.
Wenn der Mensch also über seinen Leichnam eigenmächtig verfügt, etwa indem er ihn verbrennen lässt, greift er in eine Ordnung Gottes ein. Auch wenn die Seele den Leib verlassen hat, bleibt der Leib doch Teil des göttlichen Schöpfungsplanes und steht unter Gottes Herrschaft.
Gottes Ordnung
Als Gott zu Adam sprach: „Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden“ (1. Mose 3,19), legte Er damit die natürliche Ordnung des Sterbens fest. Der Mensch soll auf natürliche Weise wieder zur Erde werden – durch Verwesung, nicht durch Verbrennung. Die Erdbestattung steht im Einklang mit dieser göttlichen Ordnung. Wer sich zur Erdbestattung bekennt, bezeugt damit seinen Glauben an den Schöpfer und seine Hingabe an die von Gott gesetzten Wege.
Die Feuerbestattung dagegen war in vielen Religionen üblich – ein heidnischer Brauch, der auf andere Vorstellungen vom Leben nach dem Tod zurückgeht. Das Judentum und der Islam halten bis heute an der Erdbestattung fest. Auch für uns Christen gilt: Die Bibel enthält zwar kein ausdrückliches Verbot der Feuerbestattung, aber sie gibt uns viele Hinweise, dass die Erdbestattung der biblische Weg ist. Wenn Gott sagt: „Du sollst zu Erde werden“, dann dürfen wir daraus schließen, dass der Mensch nicht zu Asche gemacht werden soll.
Beispiele aus dem Alten und Neuen Bund
Im Alten Testament finden wir zahlreiche Hinweise auf die Bedeutung der Erdbestattung. Abraham, der Vater des Glaubens, kaufte sich im Land Kanaan eine Grabstätte, um dort seine Frau Sara zu begraben (1. Mose 23,17–20). Dieses Grab wurde später auch zur Ruhestätte Jakobs. Für ihn war es so wichtig, im verheißenen Land bestattet zu werden, dass er seinen Sohn Josef unter Eid verpflichtete, seinen Leichnam aus Ägypten dorthin zu bringen (1. Mose 49,29; 50,5).
Im Neuen Bund sehen wir bei unserem Herrn Jesus Christus selbst das vollkommene Beispiel: Sein Leib wurde in ein neues Grab gelegt, das Gott durch Joseph von Arimathäa bereitet hatte (Joh. 19,41 f.). Auch hierin erfüllt sich Gottes Plan – der Leib Jesu wurde nicht vernichtet, sondern bewahrt für die Auferstehung.
Verbrennung als Zeichen des Gerichts
In der Bibel wird die Verbrennung von Menschen immer in einem Zusammenhang mit Sünde, Gericht oder Gottes Zorn genannt. So lesen wir in 1. Mose 19,24 f., dass der Herr Schwefel und Feuer über Sodom und Gomorra regnen ließ und die Städte völlig vernichtete.
Ein weiteres Beispiel ist Achan, der gegen Gottes ausdrückliches Gebot verstoßen und verbotene Beute aus Jericho genommen hatte. Als seine Schuld offenbar wurde, traf ihn das göttliche Gericht: „Ganz Israel steinigte ihn, und sie verbrannten sie mit Feuer“ (Josua 7,25).
Auch in Amos 2,1 f. wird die Verbrennung von Gebeinen als schwere Sünde bezeichnet:
„So spricht der Herr: Weil Moab die Gebeine des Königs von Edom zu Asche verbrannt hat, will ich sie nicht verschonen, sondern ich will ein Feuer nach Moab schicken …“
Solche Stellen zeigen deutlich: Das Verbrennen menschlicher Körper steht in der Bibel nie im Zusammenhang mit Ehre, sondern mit Gericht. Sollte uns das nicht ein ernstes Warnzeichen sein?
Die Würde des Leibes
Paulus schreibt in 1. Korinther 6,13–20, dass unser Leib dem Herrn gehört und ein Tempel des Heiligen Geistes ist. Nicht nur unsere Seele, sondern auch unser Körper ist Teil der Gemeinschaft mit Christus:
„Wisst ihr nicht, dass eure Leiber Glieder Christi sind? … Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist?“
Der Apostel betont: „Ihr seid teuer erkauft; darum preist Gott mit eurem Leibe!“ (1. Kor 6,20). Das bedeutet, dass unser Leib – auch im Tod – Gottes Ehre dienen soll.
Die griechische Philosophie betrachtete den Leib als etwas Minderwertiges; wichtig war nur die Seele. Doch die Bibel widerspricht: Leib und Seele gehören untrennbar zusammen. Der Leib ist für Gott so wertvoll, dass er ihn in der Auferstehung verwandeln wird. Darum sollten auch wir ihn achten, ehren und ihm im Tod nicht die Würde nehmen.
Der Leib – von Gott für die Auferstehung bestimmt
Wenn ein Mensch stirbt, trennt sich die unsterbliche Seele vom Leib. Der Leib wird in die Erde gelegt und vergeht, doch die Seele lebt weiter. Jesus selbst spricht davon, dass Gott „nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden“ ist (Mt 22,32). Die Seele geht in die unsichtbare Welt – an Orte des Lichts oder der Finsternis (vgl. Lk 16,22 f.).
Doch die Bibel zeigt uns: Die Auferstehung betrifft den Leib. Die Seele empfängt eines Tages wieder einen neuen, verklärten Leib. Erst dann ist der Mensch in Gottes Sinn vollkommen. Der irdische Leib bildet gleichsam das „Samenkorn“, aus dem der Auferstehungsleib hervorgeht – so wie Paulus es in 1. Korinther 15,35–38 erklärt:
„Was du säst, wird nicht lebendig, wenn es nicht stirbt. Und was du säst, ist nicht der Leib, der werden soll, sondern ein bloßes Korn … Gott aber gibt ihm einen Leib, wie er will.“
So wie aus einem Samenkorn eine neue Pflanze wächst, so wird auch unser sterblicher Leib in die Erde gesät, damit Gott ihm einen neuen, unvergänglichen Leib schenken kann. Die Erdbestattung bezeugt diesen Glauben: Wir legen unseren Leib in Gottes Hände, im Vertrauen, dass er ihn eines Tages auferwecken wird.
Das Vorbild Jesu Christi
Unser Herr Jesus ist das größte Beispiel für diese Wahrheit. Sein Leib wurde ins Grab gelegt, doch am dritten Tag ist Er leiblich auferstanden. Die Jünger fanden nur noch die Leinentücher im Grab (Joh 20,6 f.). In seinem auferstandenen Leib – mit den Wundmalen als Zeichen seiner Erlösungstat – erschien Jesus den Jüngern (Lk 24,39).
So wie Jesus auferstanden ist, werden auch wir auferstehen. Seine Auferstehung ist das Unterpfand unserer eigenen (1. Kor 15,20). Die Bibel sagt:
„Denn dies Verwesliche muss anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit.“ (1. Kor 15,53)
Darum ist der Leib, den Gott uns gegeben hat, nicht bedeutungslos, sondern für die Ewigkeit bestimmt. Wenn er in Gottes Ordnung der Erde übergeben wird, ist das kein Ende, sondern ein Anfang – ein stilles „Gesätwerden“ in der Hoffnung auf die Auferstehung.
Die Bewahrung des Leibes in Gottes Macht
Selbst im Tod bleibt der Leib für Gott kostbar. Als der Erzengel Michael mit dem Teufel um den Leichnam des Mose stritt (Judas 9), zeigt sich, dass dieser Leib für Gott eine Bedeutung hatte – er war für die Auferstehung aufbewahrt. Auch der Leib Jesu wurde im Grab von Engeln bewacht (Joh 20,12).
Paulus betet in 1. Thessalonicher 5,23:
„Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus.“
Das zeigt: Gott achtet den ganzen Menschen – Geist, Seele und Leib. Alles soll geheiligt und bewahrt werden bis zum Tag der Wiederkunft Jesu. Wenn also der Leib für die Auferstehung bestimmt ist, sollten wir ihn auch im Tod ehrfürchtig behandeln und Gott überlassen, was mit ihm geschieht.
Die Herrlichkeit des neuen Leibes
Die Bibel beschreibt den kommenden Leib als herrlich, stark und unvergänglich (1. Kor 15,43). Er wird frei sein von Krankheit, Schwäche und Alter. Kein Leid, keine Versuchung wird ihn mehr antasten. Unser neuer Leib wird vollkommen sein – strahlend von Gottes Herrlichkeit, so wie der verherrlichte Leib Jesu bei der Verklärung (Mt 17,2).
Darauf dürfen wir hoffen! Paulus schreibt:
„Auch wir selbst, die wir den Geist als Erstlingsgabe haben, seufzen in uns selbst und warten auf die Erlösung unseres Leibes.“ (Röm 8,23)
Diese Hoffnung ist nicht theoretisch, sondern persönlich. Sie gibt Trost in Krankheit, Mut im Alter und Frieden im Angesicht des Todes. Denn wir wissen: Unser Leib ist nicht zum Untergang bestimmt, sondern zur Verwandlung.
Der Leib – ein Samenkorn der Hoffnung
Wenn wir unseren Leib nach Gottes Ordnung der Erde übergeben, ist das kein Zeichen des Endes, sondern des Glaubens. Die Erdbestattung wird zu einem Bekenntnis der Auferstehungshoffnung: Wir legen unseren Leib wie ein Samenkorn in die Erde, im Vertrauen darauf, dass Gott ihn zur rechten Zeit neu hervorbringen wird – verklärt und unvergänglich.
So wie der Landmann sät in der Gewissheit, dass neues Leben wächst, dürfen auch wir im Glauben säen. Wir tun es in der Erwartung, dass sich an uns das Wort erfüllen wird:
„Denn der Herr selbst wird herabkommen vom Himmel, wenn die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes erschallen wird, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen.“ (1. Thessalonicher 4,16)
Zugleich dürfen wir wissen: Gott ist gnädig und allmächtig. Er kann und wird auch diejenigen vollenden, die sich für eine Feuerbestattung entschieden haben oder aus äußeren Gründen keine Erdbestattung erhalten konnten. Unser Gott ist Schöpfer und Neuschöpfer allen Lebens. Kein Staubkorn ist vor ihm verborgen, kein Glied seines Volkes wird vergessen bleiben.
Doch gerade, weil Er so groß ist, wollen wir bewusst nach Seinem Willen handeln und Zeugnis geben von der Hoffnung, die wir haben. Unsere Entscheidung darf Ausdruck unseres Glaubens und unserer Ehrfurcht sein – nicht Anpassung an den Zeitgeist.
In einer Zeit, in der viele Menschen den Tod verdrängen oder ihn als endgültiges Aus betrachten, kann die Haltung eines Christen selbst im Tod noch ein stilles, aber deutliches Zeugnis sein. Wer sich zur Erdbestattung bekennt, zeigt damit, dass er an die Auferstehung glaubt, dass der Leib nicht wertlos ist, sondern in Gottes Händen ruht. So, wie es die Christenheit fast 2000 Jahre lang getan hat.
Helmut Germann
09.11.25